Ich stelle immer wieder fest, dass ich als Zuhörer von Vorträgen gelegentlich gedanklich abschweife. Dann schaue ich, was es Neues bei Instagram oder Twitter gibt. Auch wenn ich keine Benachrichtigung habe, möchte ich mir einfach mal den aktuellen Feed ansehen. Da bin ich allerdings nicht der Einzige. Häufig sehe ich Kolleginnen und Kollegen oder Studierende, die während Präsentationen oder Vorlesungen im Geiste anderswo sind. Das finde ich immer sehr schade, da ich in meiner Rolle sowohl als IT-Consultant bei msg als auch Dozent an der FOM weiß, wie viel Energie und Informationen in den Folien stecken. Daher frage ich mich: Wieso schweife ich bei so vielen interessanten Vorträgen ab und bin bei Serien wie Filmen dagegen so gefesselt?
So viele Informationen!
In der heutigen Zeit haben wir jederzeit Zugriff auf viele verschiedene Unterhaltungsmedien. Somit besitzen wir immer eine Alternative, falls wir uns langweilen. Dies führt allerdings zu einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne, da wir jederzeit auf Instagram oder Facebook ausweichen können, immer in der Hoffnung, dass wir dort besser unterhalten werden. Im geschäftlichen Alltag bekommen wir hingegen jede Menge allgemeiner Informationen und Handouts. Je mehr Geschäftsbeziehungen man hat, desto mehr Informationen kommen hinzu.
Daher habe ich mich gefragt, wie man es als Sprecher schafft, unter solch widrigen Umständen im Kopf der Zuhörer zu bleiben.
Die Lösung: Storytelling?
Es gibt einen schönen Spruch, der eine mögliche Lösung bereits beinhaltet:
„There are two ways to share knowledge:
you can push information out
or you can pull them in with a story“
Aus diesem Grund habe ich mich mit Storytelling auseinandergesetzt. Die Grundidee von Storytelling liegt darin, Informationen mit Emotionen zu verknüpfen. Ich sollte also eine Geschichte erzählen, in der ein Held eine Reise antritt. Diese Reise kann eine alltägliche Routine oder auch ein spezieller Use Case sein. Während dieser Reise durchlebt der Held allerdings verschiedene emotionale Phasen. Zunächst kommt die Sorge oder Vorahnung, dass ein Problem auftreten könnte. Die Sorgen verdichten sich zunehmend, bis der Schreck mit dem tatsächlichen Auftauchen des Problems eintritt. In diesem Moment steht unser Held vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Nach diesem Schock und der damit verbundenen Erkenntnis beginnt unser Held, sich mit der Lösung des Problems zu beschäftigen, bis es ihm schlussendlich gelingt. Mit diesem positiven Erlebnis kann die Geschichte enden.
Wichtig ist, dass es sich bei der Figur um einen Alltagshelden handelt, damit sich möglichst jeder Zuhörer in seine Geschichte hineinversetzen kann. So durchlebt der Hörer die Geschehnisse gewissermaßen selbst und verbindet diese mit den Emotionen, die er in ebenjenem Moment fühlt. Dabei sollte man auch darauf achten, dass die Gefühle des Helden und seine Gedanken in diesen Phasen offen kommuniziert werden. Im Idealfall spiegeln sich diese Gefühle auch bei den Zuhörern. Es stellt sich also die Frage, ob das auch im geschäftlichen Alltag funktionieren kann.
Probelauf einer Geschichte
Im Rahmen eines Kundenprojektes sollte ich eine Präsentation vor Mitarbeitenden halten, in der ich die Notwendigkeit und die erforderlichen Schritte einer Migration auf Windows 10 vorstellen sollte. Dies war für mich der ideale Moment, eine Geschichte zu erzählen. So entwickelte ich die Figuren Mia und Ben. Beide haben verschiedene Charaktereigenschaften, um möglichst viele Mitarbeitenden des Kunden anzusprechen. Aus der Sicht von Mia und Ben erzählte ich, welche Konsequenzen drohen, sollte man weiterhin einen Windows-7-Rechner nutzen. Mia war die Moderne, die ein ausgeprägtes Interesse an neuen Technologien besaß, weshalb sie privat bereits mit einem Windows-10-Rechner arbeitete. Ben hingegen war eher ein Gewohnheitstier, der sein Betriebssystem schlicht so lange weiternutzte, wie es fehlerfrei funktionierte und daher keine Notwendigkeit für eine Umstellung sah. Da Microsoft am 14. Januar 2020 die Verteilung von Sicherheitsupdates für Windows 7 einstellte, erhöhte sich die Gefahr für Ben, dass Angreifer bislang unbekannte Sicherheitslücken ausnutzen könnten, um seinen PC zu verschlüsseln oder Daten abzugreifen. Mit dieser Problemstellung konfrontiert führte ich Lösungsansätze an, wie Ben seine Benutzerdaten sichern und auf Windows 10 umsteigen könnte.
Schon während der Präsentation konnte man das Interesse der Mitarbeitenden an der Geschichte spüren. Ich hatte im diesem Moment die volle Aufmerksamkeit des gesamten Hörsaals. Einige Zuhörer bestätigten meine Aussage mit Kopfnicken.
Happy End
Noch einige Monate nach der Präsentation erinnern sich Mitarbeitende des Kunden an die Geschichte von Mia und Ben. Sie teilen mir mit, dass Sie sich gut in die Helden der Geschichte hineinversetzen und sich die Fakten so besser merken konnten.
Mit einem solch positiven Feedback werde ich noch mehr Geschichten erzählen. Dabei stelle ich fest, dass jeder Kollege und jede Kollegin seine eigene Geschichte im Alltag durchlebt. Wieso nutzt man daher nicht Storytelling, um Use Cases zu beschreiben? Genau diesen Ansatz verfolgt die Methode Design Thinking, bei welcher der Anwender als Held des Alltags im Fokus steht. Daher besuche ich immer wieder regelmäßig die Seite https://www.designthinking-methods.com/, um mir passende Methoden auszusuchen, damit die Geschichten auch authentisch erfasst und wiedergegeben werden können. Eine super Gelegenheit, den Ansatz von Design Thinking kennenzulernen ist das regelmäßig zweimal im Jahr stattfindende msg-Kreativitätstraining für MINT-Studierende.
Viele Grüße,
Adrian
P.S.: Es ist schön, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen Artikel zu lesen. Bestimmt ist Dir aufgefallen, dass dieser Beitrag auch eine Geschichte enthält :-) Reflektiere mal, was Dich dazu motiviert hat, bis hierhin zu lesen. Gerne kannst Du mir ein Feedback in den Kommentaren hinterlegen.